05.03.2020

Carbon Capture

Carbon Capture – Wort des Tages – EVS Translations
Carbon Capture – Wort des Tages – EVS Translations

Ein gigantischer Luftreiniger für den Kampf gegen Luftverschmutzung – wäre das nicht eine fantastische Erfindung? Schalter an und schon wäre die Luft sauberer, alle Chemikalien und Emissionen würden abgesaugt und könnten in einem handlichen Wegwerffilter entsorgt werden? Was klingen mag wie das Produkt kindlicher Fantasie, verbirgt sich im Wesentlichen hinter dem Konzept der Carbon-Capture-Verfahren. Wie einfach oder technisch die Erklärung ausfallen mag: Eine Technik mit dem Potenzial, bis 2050 rund 90 % der CO2-Emissionen von Kraftwerken und Industrieanlagen sowie ca. 14 % der globalen Treibhausgasemissionen abzuscheiden, lässt in jedem Fall aufhorchen. Für ein besseres Verständnis lohnt sich ein Blick auf die Etymologie und das technische Verfahren selbst.

Der zentrale Begriff, Carbon, leitet sich von dem französischen carbone ab und wurde 1787 von dem französischen Chemiker Louis-Bernard Guyton de Morveau geprägt, der die Kohlenstoffchemie mitentwickelte. Der französische Begriff wiederum leitet sich von dem lateinischen carbo (glühende Kohle) ab. Hier ist jedoch die Kurzform für das Treibhausgas Kohlendioxid (englisch: carbon dioxide) gemeint. Erstmals taucht dieser Begriff 1977 in einer Ausgabe von The American Economic Review auf: „Table 1 shows the calculated U.S. energy consumption and world carbon emissions along the uncontrolled and controlled paths.“ (Tabelle 1 enthält den berechneten Energieverbrauch in den USA sowie die weltweiten kontrollierten und unkontrollierten Kohlendioxidemissionen). Das Konzept, einen Gegenstand bzw. eine Sache zu fassen bzw. zu fangen (in diesem Fall Kohlendioxid oder andere Gase), leitet sich über das Mittelfranzösische von dem Lateinischen captūra bzw. capere (fassen, fangen) ab. Im Englischen taucht der Begriff capture erstmals in dem Werk von Robert Pitcairn Ancient criminal trials in Scotland (1488–1624) auf. Eintrag 1541-2 lautet: „Remission to John Lausone… for his capture and apprehension.“ Im zeitgenössischen Zusammenhang von Umwelt und Klimaschutz tauchte der Begriff Carbon Capture and Storage bzw. dessen Akronym CCS erstmals 2003 in den Abstracts of Working Papers in Economics auf.

Viele denken bei dieser Technik zwar sofort an Umwelt- und Klimaschutz, doch tatsächlich stammt sie aus einem gänzlich anderen Bereich, nämlich der Förderung fossiler Brennstoffe. Erstmals zum Einsatz kam sie Anfang der 1970er-Jahre: Ursprünglich wurde das abgeschiedene und komprimierte Kohlendioxid in der Erdölgewinnung verwendet, um Rohöl zu fördern, das andernfalls nicht erreichbar gewesen wäre. Es mag absurd klingen: Noch immer spielt diese Technik eine gewichtige Rolle in der Erdöl- und Erdgasförderung. Gleichzeitig wird sie als Lösung für die problematischen Emissionen aus fossilen Brennstoffen angepriesen.

Wie läuft Carbon Capture konkret ab? Eine kurze Zusammenfassung, ohne zu sehr in die technischen Details zu gehen (was schnell passieren kann): Zunächst wird das CO2 abgeschieden, und zwar entweder nach der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle oder bereits nach der Kohlevergasung (vor der Verbrennung) oder durch Verbrennung unter reiner Sauerstoffatmosphäre im Oxyfuel-Verfahren. Das abgeschiedene CO2 kann entweder durch eine Pipeline (als Gas, Flüssigkeit oder Feststoff) oder in einem Lkw oder Tanker (als Flüssigkeit) transportiert werden. Am Zielort kann das abgeschiedene CO2 unterirdisch gelagert werden, unter anderem durch Verpressung in geologischen Formationen, in denen Fracking möglich ist, in Öl- und Gaslagerstätten oder in Basaltformationen wie dem Meeresgrund.

Doch leider ist nichts im Leben perfekt. Kritische Stimmen weisen darauf hin, diese Lösung für das Emissionsproblem trage nichts zur Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe bei. Darüber hinaus würden die positiven Effekte der Carbon-Capture-Technik durch den Einsatz fossiler Brennstoffe für den Bau und das Betreiben zusätzlicher Netze geschmälert, die für den Transport des abgeschiedenen Gases erforderlich sind. Je nach eingesetzter Technik könnten die Kosten für die Umrüstung zahlreicher Kraftwerke und Industrieanlagen eine gewichtige wirtschaftliche Hürde darstellen. Und schließlich sprechen wir von einer relativ neuen Technik, die Fragen zu Themen wie Realisierbarkeit der Lagerung, Umweltrisiken bei eventuellen Lecks sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken während des Transports noch unbeantwortet lässt.

Trotz dieser Risiken könnte sich unser „gigantischer Luftfreiniger“ als ausgesprochen nützlich erweisen, falls wir herausfinden, wie er optimal zu bedienen ist.