27.01.2020

Heute bin ich mit Li verabredet, einem Chinesisch-Übersetzer, der künstlicher Intelligenz immer noch einen Schritt voraus ist.

Der Chinesisch-Übersetzer, der KI immer noch einen Schritt voraus ist
Der Chinesisch-Übersetzer, der KI immer noch einen Schritt voraus ist

Es ist nicht leicht, Li Meng ans Telefon zu bekommen. Ich weiß, dass er bis zum Hals in Arbeit steckt. Unsere Projektmanager sind nicht begeistert, als ich sie bitte, ein zehnminütiges Telefonat mit mir einzuplanen, doch seine persönliche Erfahrung ist mir wichtig. Endlich kommt die Nachricht, dass er kurz Zeit für mich hat. Ich greife zum Hörer und packe mein eingerostetes Chinesisch aus: „Äh… ni hao!“, sage ich freundlich. Li antwortet mit einem verlegenen Lachen und einem höflichen „ni hao“.

Deutschlands Ruf in China

Li ist 2015 von China nach Deutschland gezogen und war der erste chinesische Übersetzer im internen Team von EVS Translations. „Es war ein echter Kulturschock. Ich war leicht überfordert“, erzählt er, als er sich an seinen Umzug aus Asien erinnert. Li ist in der Provinz Shandong in einer kleinen Stadt südwestlich von Peking aufgewachsen. Es ist die Heimatstadt von Konfuzius und der Meng-Familie, die in der Geschichte des Landes eine wichtige Rolle spielt und Teil der chinesischen Aristokratie ist. Li lacht, als er mir dies erzählt. „Ja, die Meng-Familie, das sind quasi meine Vorfahren.“ (Interessanterweise ist mein Nachname, also Kikuchi, ein Samurai-Name, du bist also in bester Gesellschaft, Li!)

Deutsch zu lernen mag für einen Chinesisch-Muttersprachler ungewöhnlich sein, die wirtschaftliche Stärke Deutschlands und seine Automobilindustrie haben jedoch einen sehr guten Ruf in China. „Englisch ist in China sehr beliebt, Deutsch ist aber ebenfalls eine Sprache, mit der man gute Jobaussichten hat. In meiner Kindheit und Jugend haben deutsche Automobilhersteller viel mehr Fahrzeuge an chinesische Verbraucher verkauft als die chinesischen Hersteller. BMW ist sehr beliebt. Siemens genießt ebenfalls einen sehr guten Ruf.“ Nach 30 Jahren in China und einem Hochschulstudium der englischen und deutschen Sprache entschloss er sich zum Umzug nach Berlin.

Arbeitsleben in Deutschland und China

Wer beruflich mit Asien und Europa zu tun hat, muss oft viel lernen, um sich auf das neue Arbeitsumfeld und die Kollegen einzustellen. Neue und unbekannte Verhaltensregeln und Umgangsformen, die unterbewusst verstanden werden, erfordern Anpassungsfähigkeit und oftmals viel Geduld. „Die Deutschen sind direkter als die Chinesen, die gerne… wie heißt es so schön… ‚um den heißen Brei herumreden‘“, erklärt der Chinesisch-Übersetzer. „In China gibt es eine ganz klare Hierarchie in den Unternehmen. Man befolgt die Anweisungen seiner Vorgesetzten und wahrt Distanz. In Deutschland ist das anders und damit komme ich persönlich besser zurecht. Diese straffen Hierarchien sind mir fremd. Ich finde das kleinkariert.“ Er hat sich an das Leben in Deutschland gewöhnt und eine Rückkehr nach China würde zweifellos zu einem umgekehrten Kulturschock führen.

Übersetzen und der Einsatz künstlicher Intelligenz

Als ich Li frage, wie viel er dieses Jahr übersetzt hat, antwortet er: „Ohje, da müsste ich erst nachrechnen. Das heißt… da muss ich meine Projektmanager fragen und kann Dir später Bescheid geben…“. Ich versichere ihm, dass ein solcher Aufwand nicht nötig sei, aber die gewissenhafte Antwort war eine nette Geste. „Es müssen einige Hunderttausend Wörter gewesen sein, oder?“, frage ich ihn und er überlegt eine Weile. Es ist schwierig für ihn, es zu beziffern, aber es ist zweifellos eine hohe Zahl. Einige dieser Übersetzungen sind streng vertraulich und sehr dringend, beispielsweise für Anwaltskanzleien. Einer der Neukunden dieses Jahr ist ein schwedisches Unternehmen und Li hat Spaß an dieser neuen Herausforderung. „Übersetzen ist eine kreative Tätigkeit“, erklärt er mir mit Nachdruck. „Man muss den Inhalt auf andere Art zum Ausdruck bringen und umformulieren können. Beim Übersetzen geht es nicht um eine wortwörtliche Wiedergabe. Das wäre dann ja wie bei einer maschinellen Übersetzung.“ „Du hast also keine Angst, dass Du von einer Maschine ersetzt wirst?“, frage ich ihn interessiert. „Vielleicht in 200 oder 300 Jahren“, sagt er lachend. „Maschinen können die Effizienz steigern. Eine große Datenbank mit technischen Fachbegriffen erspart das Nachschlagen. Doch kulturelle Faktoren, die nur von Menschen wahrgenommen werden, sind der entscheidende Unterschied zwischen Übersetzungen von Menschen und KI-Übersetzungen. Mein Arbeitsplatz ist noch auf lange Zeit sicher!“

Dann klingelt auch schon das Telefon und die eingehenden Aufträge haben wieder Vorrang. Das Gespräch mit Li fand in der Vorweihnachtszeit statt und Li freute sich darauf, die Feiertage mit seiner Familie in Deutschland zu verbringen. Obwohl sein Heimatland Tausende Kilometer von Deutschland entfernt ist, arbeitet er täglich mit seiner Muttersprache.

Das Interview mit Li für unseren Blog führte Lucy Kikuchi aus unserer Marketingabteilung.

Falls Ihr Unternehmen Übersetzungen in der Sprachkombination Chinesisch<>Deutsch benötigt, sprechen Sie uns an. Wir können Sie in Bezug auf den Zeitrahmen und die Abläufe beraten. Unsere internen Chinesisch-Übersetzer werden sich umgehend um die Übersetzung Ihres Projekts kümmern.

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