28.05.2019

Culotte – Hosenrock

Culotte – Hosenrock – Wort des Tages – EVS Translations
Culotte – Hosenrock – Wort des Tages – EVS Translations

„Mit Ihrer Kleidung zeigen Sie der Welt, wer Sie sind. Das gilt vor allem in der heutigen Zeit, in der zwischenmenschliche Kontakte so schnell verlaufen. Mode ist eine Art unmittelbare Kommunikation.“

– Miuccia Prada

Auch wenn man sprichwörtlich niemanden nach seinem Äußeren bewerten soll, werden wir in Wirklichkeit häufig danach beurteilt, wie wir aussehen, was wir tragen und wie wir es tragen – und wir beurteilen andere umgekehrt genauso. Modetrends kommen und gehen und auch unsere Fashion-Statements können sich mit unseren jeweiligen Bedürfnissen ändern. Leider konzentrieren wir uns dabei häufig nur darauf, was ein bestimmtes Kleidungsstück über uns aussagt, und nicht darauf, was genau dahinter steckt, woher es ursprünglich kommt, welche Geschichte sich dahinter verbirgt. Ein gutes Beispiel ist unser heutiges Wort des Tages.

Viele halten die culotte (bzw. den Hosenrock) für eine einfache und praktische Kombination aus Form und Funktion, für einen Mix aus der legeren, ungezwungenen Zweckmäßigkeit von Hosen und Shorts und der Leichtigkeit und Feminität eines Rocks. Dieses Kleidungsstück ist aber mehr als nur eine zufällige funktionale Neuerung, es hat seine ganz eigene Geschichte.

Seine Bezeichnung stammt vom lateinischen Begriff culus für ‚Hintern‘ oder ‚After‘ ab und fand über das französische Wort culotte, was so viel bedeutet wie „Kniehose“ (zum Bedecken des Körpers unterhalb der Taille), Eingang in die englische Sprache. Obwohl wir bei Culottes heute eher an ein Kleidungsstück für Damen denken, wurden diese Hosen ursprünglich nur von Männern getragen.

Vom Spätmittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert zierten Culottes die Beine der europäischen Oberschicht. Die vom französischen König Henry III populär gemachten, eng sitzenden Hosen, die bis kurz unter das Knie reichten, wurden mit Knöpfen oder einer Schnalle befestigt oder mit einem Tunnelzug am Bein geschnürt. In diesem Zusammenhang fand das Wort im Englischen erstmals Erwähnung durch den Kleriker Richard Harris Barham (unter dem Pseudonym „Thomas Ingoldsby of Tappington Manor“). So heißt es in seinem 1842 in den The Ingoldsby Legends erschienenen Gedicht Black Mousquetaire: „Ripping the lace from his coat, And from what, I suppose, I must call his culotte.“

Dass es beim Gebrauch der Hosen zu einem Geschlechterwandel kam, ist sozusagen den Empfindlichkeiten der Moderne geschuldet.

Als Frauen im viktorianischen Zeitalter in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Möglichkeiten hatten, sich in der Öffentlichkeit aktiv zu betätigen und Sport zu treiben, war es schnell klar, dass ein bodenlanger, fließender Rock nicht gerade die ideale Bekleidung im Alltag ist. Doch zum Glück siegte die Innovation. Damit Frauen nicht mehr gezwungen waren, beim Reiten seitlich im Sattel zu sitzen, um ihre Beine zu bedecken, entwickelte man den Hosenrock. Mit diesem saßen sie wie Männer im Reitersitz, aber auf dennoch schickliche und anständige Art auf dem Pferd. Im Wandel der Zeit wurden Culottes immer mehr an die Anforderungen anderer Aktivitäten wie dem Gärtnern oder Radfahren angepasst.

Obwohl der nun weitgehend historische Begriff „Culottes“ Anfang des 19. Jahrhunderts in der Mode (und auch in der Sprache) für Männer verloren ging, benötigte man im femininen Kontext eine Bezeichnung für das Kleidungsstück, das weder Rock noch Hose war. Dies führte dazu, dass der englische Ausdruck für das Bedecken des Gesäßes erneute Verwendung fand. Rein im Zusammenhang mit Damenmode wurde er erstmals 1911 als „Satin culottes, 10/6.“ in Cecil Willett Cunningtons English Women’s Clothing in the Present Century gebraucht.

Abgesehen von der gelegentlichen und schleierhaften Verwendung zur Beschreibung des weichen Fells auf der Rückseite der Vorderbeine eines Hundes (kein Scherz, der Begriff ist in dieser Bedeutung tatsächlich im Funk and Wagnalls New Standard Dictionary von 1928 enthalten) ist die Bedeutung des Begriffs seitdem recht gleich geblieben. Allerdings findet er nun wesentlich breitere Anwendung. So wird mit „Culotte“ mittlerweile praktisch alles bezeichnet, das die Aspekte eines Rocks mit geteilten Hosenbeinen, wie bei Skorts, Demi-Jeans und selbst einfachen kurzen Palazzo-Hosen, kombiniert. Das Paradoxe: Die Einzigen, die die Bedeutung des Begriffs nicht ausgedehnt haben, sind die Erfinder selbst. Für die Franzosen bezeichnet das Wort nichts anderes als das banalste aller Kleidungsstücke – den Damenschlüpfer. C’est la vie!