02.03.2016

Der Kunde im 21. Jahrhundert

Betritt man in Japan ein Geschäft, einen Supermarkt oder ein Restaurant, kann man sichergehen, mit dem Wort irrashaimase!, Willkommen, begrüßt zu werden. Und beim Hinausgehen heißt es arigatou gozaimasu oder ‚Vielen Dank‘, und es kann vorkommen, dass der Verkäufer den Kunden bis zur Tür bringt, um ihm dort seine Einkäufe zu übergeben. Das Kundendienstniveau in Japan ist wirklich beispielhaft und wird wahrscheinlich in keinem anderen Land erreicht. Sogar der Cheeseburger bei McDonald’s wird von einem McBow begleitet. Es mag sich vielleicht anfangs ein wenig fremd anfühlen (zumindest für einen Briten), aber die Aufmerksamkeit gegenüber Kunden ist bewundernswert und wenn man sich schon ein wenig länger im Land aufhält, nimmt man sie wahrscheinlich für selbstverständlich.

Hier geht es natürlich um den traditionellen Dienst am Kunden. Der Kunde kommt normalerweise in ein Geschäft, kauft ein Produkt und wird dabei freundlich vom Personal unterstützt. In den letzten zehn Jahren hat sich jedoch der Kundenbegriff erheblich gewandelt. Heute möchten Kunden Einfluss nehmen auf das Produkt-Design, Produkte werden in den sozialen Medien diskutiert und das beeinflusst auch Entscheidungen auf Unternehmensebene (man erinnere sich, dass The GAP sein Logo nicht ändern konnte, nachdem Kunden in den sozialen Medien ihren Unmut über die Änderung geäußert hatten). Und wie ist es mit der Markenkraft eines Unternehmens? Barbara Kahn, Professorin für Marketing an der Universität von Pennsylvania, lässt keinen Zweifel daran: die wirkliche Definition Ihrer Marke ist immer das, was der Kunde darin sieht.

Kunden beschäftigen und identifizieren sich immer stärker mit Marken und dem, was sie von einem Produkt erwarten. Es reicht nicht mehr aus, den Kunden bis zur Tür zu begleiten, ihm seine Einkäufe zu überreichen und ‚Danke‘ zu sagen—Kunden wollen dieses Produkt aus dem Regal nehmen und sein Design verändern, es sozusagen zu ihrem eigenen Produkt machen. Anpassung an den Kunden, Einbindung des Kunden und Kundenwert sind zu kritischen Elementen zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils geworden. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für den Fertigungssektor, wo ebenfalls ein zunehmender Trend zur ‚Servitization‘ stattfindet—weg von der Fokussierung auf die Produktion und hin zur Integration von Produkten und Technologie im Hinblick auf ein serviceorientiertes Angebot, mit dem ein Kundenwert geschaffen und letztendlich ein Wettbewerbsvorteil erzielt wird.

Auch Unternehmen, die nach Wachstum durch Export streben, haben es mit einer neuen Kundenkategorie zu tun—dem globalen Kunden, der einen ganz bestimmten Anspruch hat: Ich bin an Ihrem Produkt interessiert, aber ich möchte den Kauf in meiner eigenen Sprache abwickeln. Das Bereitstellen der gewünschten Informationen in der jeweiligen Zielsprache schafft ein unkomplizierteres und vertrauteres Kundenerlebnis. Die Barclay’s Bank hält auf Ihrer Website folgenden Ratschlag für potentielle Exporteure bereit: „Weil Kunden lieber in ihrer eigenen Sprache einkaufen, raten wir zu einer Übersetzung Ihrer Website in die jeweilige Sprache des Ziellandes. Bei der Online-Suche in der eigenen Sprache wird Ihr Unternehmen dann besser gefunden”. Das ist für den künftigen Exporteur keine leichte Aufgabe, aber letzten Endes ist der Kunde König.

Und so hat der Kunde im 21. Jahrhundert auch seine Hand im Spiel, wenn es um Veränderungen im Sprachdienstleistungssektor geht. Die Tage, in denen einfach Text in einer Worddatei übersetzt wurde, sind endgültig vorbei. Stattdessen ist die Marktnachfrage nach mehrsprachigen Websites und einer lokalisierten Markenbotschaft in verschiedenen Sprachen für Kunden in aller Welt enorm gestiegen. Es geht um eine sprachspezifische Suchmaschinenoptimierung, mehrsprachige Produktbroschüren und Videoinhalte. Globale Kunden möchten ein Kauferlebnis in ihrer eigenen Sprache und der Sprachdienstleistungssektor ist gewachsen und hat sich weiterentwickelt, damit Unternehmen diesem Anspruch gerecht werden können.

Der Kunde des 21. Jahrhunderts hat größere Erwartungen als jemals zuvor; Preiswettbewerb und Differenzierungsdruck bedingen ihrerseits die Notwendigkeit zur Schaffung eines größeren Kundenwerts. Aber die Unternehmen können diese Phänomene zu ihrem Vorteil nutzen: diejenigen, die in der Lage sind, das gewünschte Kundenerlebnis zu vermitteln und einen Kundenwert zu schaffen, können sich damit womöglich an die Spitze des Wettbewerbs bringen.