15.10.2019

Know Your Customer

Know Your Customer – Wort des Tages – EVS Translations
Know Your Customer – Wort des Tages – EVS Translations

Für viele, wenn nicht sogar alle Unternehmen fällt der heutige Begriff in den Bereich gesunder Menschenverstand. Schließlich ist der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens das Verstehen der Kunden, ihrer Bedürfnisse und ihrer Wünsche. In den meisten Fällen wird diese Logik für eher simple Aufgaben genutzt, zum Beispiel zur Feststellung, wo ein Drive-in-Schalter zur schnelleren Bedienung gebaut werden soll, welche Bereiche eine erhöhte Nachfrage nach einem bestimmten Luxusartikel aufweisen oder welche Waren diesen Winter besonders gefragt sein werden. Unser Begriff kann in einigen speziellen Fällen aber auch den Unterschied zwischen legalen Transaktionen und Verbrechen oder Korruption bedeuten. Wir sprechen natürlich von dem „Know Your Customer“-Konzept, aber abgesehen von den typischen alltäglichen, verbraucherbezogenen Einsatzbereichen (die von den meisten verstanden werden) verstehen viele nicht, wie das Konzept zum Schutz des Finanzsystems beitragen soll.

Bevor wir uns damit beschäftigen, was der Begriff konzeptionell und praktisch bedeutet, sollten wir uns mit den einzelnen Wörtern beschäftigen, die gemeinsam den Begriff bilden. Das erste Wort, das Verb Know, stammt von dem altenglischen Wort cnawan und dem urgermanischen knew ab, die beide „erkennen“, „verstehen“ oder „unterscheiden können“ bedeuten. Die erste bekannte Verwendung des Wortes findet sich im altenglischen Vitellius Psalter (das auch ein Glossar ist): „Cognoscętur dominus iudicia faciens: cnawen drihten domas donde. (Gott verkündet seine Urteile).“ Das zweite Wort ist Your, ein von dem altenglischen eower und dem urgermanischen juz oder iwwiz abstammendes Possessivpronomen. Die früheste nachgewiesene Verwendung in Bezug auf eine bestimmte Person (oder eine bestimmte Gruppe) findet sich in einem mittelenglischen Gedicht aus dem frühen 14. Jahrhundert, das 1968 von Olof Sigfrid Arngart in The Middle English Genesis and Exodus redigiert wurde: „Lord.. Your silver is brought to you again. (Herr.. Dein Silber ist dir wiedergebracht worden).“ Das durch das Possessivpronomen modifizierte Substantiv Customer bezeichnete ursprünglich einen Steuereintreiber oder einen Zöllner und rührt von dem altfranzösischen Wort coustumier her, einer Verkürzung des lateinischen Wortes consuetudinarius, das „Gewohnheit“, „Praxis“ oder „Nutzung“ bedeutet. 1409 wurde es zur Identifizierung der Käufers von Waren oder Dienstleistungen verwendet, wie in der 1915 von Maud Sellers zusammengestellten Sammlung von Vorschriften und Verordnungen der Eastland Company mit dem Titel York Memorandum Book festgehalten: „It is ordained that no man of the said craft take no horse for to show or hide of no man that is customer to any of the said craft, and he hath knowledge that the said customer owe any money to the other man. (Kein Mann des besagten Gewerbes darf ein Pferd eines Mannes, der Kunde des besagten Gewerbes ist und von dem er weiß, dass der Kunde dem anderen Geld schuldet, in seinen Besitz nehmen, sei es öffentlich oder verborgen).“

Der Versuch von Finanzinstituten (bzw. jeglicher Unternehmen), die Bedürfnisse der Kunden besser zu erfüllen, ist kein neues Konzept, die Geschwindigkeit und der Komfort von elektronischen und Online-Finanztransaktionen haben aber trotz aller ihrer Vorteile ein Problem geschaffen. Die Möglichkeit, dass eine Entität größtenteils inkognito bleiben und in den globalen Finanzsystemen anonym Geld transferieren kann, ist fast schon eine Einladung zu kriminellen Handlungen wie Korruption, Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche. Regierungen und Finanzinstitute haben zwar schon seit langem einzelne Gesetze und interne Bestimmungen zum Umgang mit der illegalen Nutzung des Finanzsystems, einen gemeinsamen Ansatz zu einer Ausweitung von Bestimmungen, verstärkten Informationsanforderungen und dem Schließen von möglichen Schlupflöchern gibt es aber erst seit ca. 20 Jahren. Diese Bestrebungen korrelieren mit dem Aufstieg des globalen Terrorismus, von Identitätsdiebstahl im Allgemeinen und der globalen Finanzkrise der späten 2000er Jahre.

Effektiv nutzen diese Aktivitäten Daten zum Schutz des Finanzsystems, von Finanzinstituten und von Kunden. Auf Seiten der Kunden bedeutet das eine Bereitstellung von zusätzlichen persönlichen Informationen und Transparenz in Sachen Steuerstatus, Investitionsbedürfnissen und Risikotoleranz. Für Finanzinstitute bedeutet das im Gegenzug eine Nutzung von Kundeninformationen zur Entwicklung eines Kundenprofils, das Aufschluss gibt, welche potenziellen Dienstleistungen dem Kunden angeboten werden sollten (was Fairness und ethisches Verhalten sicherstellt) und welche Bedürfnisse er haben könnte. So können auch Kundenhandlungen oder -transaktionen identifiziert werden, die nicht dem normalen Verhalten entsprechen und möglicherweise auf unerlaubte Tätigkeiten oder Identitätsdiebstahl hindeuten.

Natürlich gibt es von Land zu Land geringe Unterschiede, das Ziel bleibt aber das gleiche: die Ermöglichung des freien Flusses von Transaktionen und Finanzinformationen bei gleichzeitiger Minderung des Risikos für Kunden und Finanzdienstleister. Natürlich decken diese Regeln nur das traditionelle Finanzsystem ab. Bei anderen Finanzsystemen, beispielsweise Kryptowährungen, die aufgrund ihres dezentralen Aufbaus und des Umstands, dass viele davon erhöhten Datenschutz und gesteigerte Anonymität anbieten, viel schwerer nachzuverfolgen sind, scheint das Finden einer Balance von Datenschutz und Dezentralisierung auf der einen Seite und Know Your Customer auf der anderen Seite eher unwahrscheinlich.