05.11.2020

Legal Engineer

Legal Engineer – Wort des Tages – EVS Translations
Legal Engineer – Wort des Tages – EVS Translations

Die meisten Menschen werden wahrscheinlich an die Bereiche Maschinenbau, Bauwesen, Elektro- oder auch Computertechnik denken, wenn sie den Begriff „Ingenieur“ (engineer) (oder eine der unzähligen möglichen Varianten davon) hören. Beim Wort „Recht“ (legal) hingegen denkt man zuallererst an Bereiche wie das Handels-, Zivil-, Patent-, Urheber- oder Vertragsrecht. Ebenso wie der Essig und das Öl in einer Vinaigrette lassen sich auch die Begriffe Recht und Ingenieur auf den ersten Blick nicht gut vermischen. Doch wenn man sie richtig kombiniert und entsprechend verwendet, kann sich daraus die ideale Ergänzung für eine Kanzlei ergeben.

Aufgrund der Tatsache, dass technologische Innovationen in der Geschäftswelt deutlich schneller voranschreiten als technologische Innovationen in Anwaltskanzleien, ist ein Legal Engineer, wie Sie sicherlich bereits richtig vermuten, das Ergebnis eines Versuchs, die häufig zwischen rechtlicher und technologischer Expertise bestehende Lücke zu schließen. In anderen Worten: Ein Legal Engineer nutzt sein rechtliches und technisches Know-how für die Entwicklung neuer oder Verbesserung bestehender Möglichkeiten der Bereitstellung von Lösungen für Kunden – etwa durch neue Rechtssoftware, digitale Geschäftsmodelle oder die Einführung von Workflows, um bestehende Engpässe zu beseitigen.

Betrachtet man die Bestandteile unseres Begriffs einzeln, so lässt sich das Wort legal auf das lateinische legalis („den Gesetzen entsprechend“) zurückführen. Im Englischen taucht der Begriff erstmals um 1484 in einer Übersetzung des Kompendiums Secretum secretorum von Johannes de Caritate auf („the strength called legal… is sown in originals.“). Das Wort Engineer bzw. Ingenieur bezeichnet ursprünglich jemanden, der Kriegsgeräte entwirft oder baut. Es leitet sich vom altfranzösischen engigneor und dem spätlateinischen ingeniare ab und bedeutet „bauen oder entwickeln“. In unserem modernen Kontext taucht es erstmals um 1500 in der Geschichte St. Katherine im 1881 erschienenen Werk Altenglische Legenden neue Folge von Carl Horstmann auf („In his court was a false traitor, that was a great engineer…“).

Die Grundidee unseres Begriffs wurde im Buch The end of Lawyers? von Richard Susskind aus dem Jahr 2008 erstmals begrifflich erfasst. Darin wurde eine neue Rolle in Anwaltskanzleien vorhergesagt, die rechtliches und technisches Know-how vereinen könnte – der „legal knowledge engineer”. Zum ersten Mal tatsächlich verwendet wurde der Begriff jedoch als Kommentar von David Johnston zu einem Blogeintrag von Stephen Mayson im Oktober 2012 (The top of the ‘legal engineer’ pyramid is already considerably more rewarding than the bottom of the practice certificate one and frankly has been for over a decade already.”).

2017 stellte eine britische Anwaltskanzlei einen Antrag, um sich den Begriff „Legal Engineer“ für die Beschreibung rechtlicher Prozesse in Bereichen wie künstliche Intelligenz und Datenverarbeitungsdienste markenrechtlich schützen zu lassen. Während das Intellectual Property Office (IPO) dem Antrag in begrenztem Umfang (für Druckerzeugnisse und Bekleidung) stattgegeben hat, darf der Begriff Legal Engineer von jedermann frei verwendet werden.

Da die Nachfrage nach vollständiger Legal Compliance und ihre Feinheiten immer komplexer werden und technologische Innovationen weiterhin als Geschäftstreiber fungieren, wird heute stärker denn je eine Person benötigt, die auf diese scheinbar gegensätzlichen Fähigkeiten zurückgreifen kann, um die Bedürfnisse von Kunden zu verstehen und Lösungen zu schaffen, die diesen Bedürfnissen gerecht werden – sowohl in Unternehmen, die Lösungen brauchen, als auch in Kanzleien, die nach einem Wettbewerbsvorteil suchen.