31.05.2016

Mafia

Ob wir es nun zugeben wollen oder nicht: die organisierte Kriminalität übt eine Faszination auf uns aus, und unser heutiges Wort ist sozusagen das Zentrum davon. Nicht nur der Lebensstil wird in Filmen wie Der Pate und Good Fellas glorifiziert, sondern auch im wirklichen Leben kann fast jeder einige der großen Mafianamen nennen, von Capone bis Luciano, von Genovese bis Gotti. Zwar sind wir von der Welt der Mafia möglicherweise fasziniert, doch wissen die meisten von uns nicht viel darüber (wobei dies natürlich das Wesentliche einer geheimen Verbindung ist), und deswegen sollten wir dieses Wort einmal unter die Lupe nehmen.

Im Allgemeinen wird die Mafia als ein organisierter Geheimbund von Kriminellen definiert, doch viele sind überrascht, wenn sie hören, dass es so etwas wie die sizilianische Mafia in Wirklichkeit gar nicht gibt, zumindest nicht so, wie wir glauben: geheime sizilianische (und italienische) Verbrecherorganisationen bezeichnen sich selbst mit ihren jeweiligen Gruppennamen, beispielsweise Cosa Nostra (unsere Sache), Stidda (Stern), und ‘Ndràngheta (Heldentum/Tugend). Das Wort „mafia“ stammt direkt von einem sizilianischen Adjektiv, mafiusu, ab, das im frühen und mittleren 19. Jahrhundert, als diese organisierten sizilianischen Verbrechergruppen entstanden, für die Eigenschaften kraftvoll, furchtlos und stolz stand. Vieles von dem, warum man dieses Wort der organisierten Kriminalität zuordnete, geht offenbar auf ein Stück von 1863 von Giuseppe Rizzotto und Gaspare Mosca mit dem Titel „I mafiusi di la Vicaria“ („Die Mafiosi von Vicaria“) zurück, in dem die Geschichte einer sizilianischen Gefängnisgang erzählt wird.

Abgesehen vom Wort selbst entstand die sizilianische Mafia sozusagen als Nebenprodukt von Modernisierung und Veränderung. Die 1800er Jahre waren für Sizilien größtenteils eine Zeit dynamischer Veränderungen: der Feudalismus ging seinem Ende entgegen, die Kontrolle über große Landgebiete war nicht mehr in privater Hand, in vielen großen Gebieten fand eine Umverteilung statt, und Sizilien wurde zu einem Teil des italienischen Staats. Leider war die neue Regierung nicht in der Lage, dies alles zu bewältigen, zum einen wegen mangelnder Erfahrung und zum anderen wegen personeller Unterbesetzung – oft waren weniger als 350 Polizisten für die gesamte Insel zuständig. Weil die Regierung nicht fähig war, große Teile der Insel in angemessener Weise zu kontrollieren, begannen diese ehemals privaten Kontrollkräfte damit, sich in Gruppen von behelfsmäßigen Hütern des Friedens und der Ordnung zu organisieren (gegen Bezahlung): das war die Geburtsstunde des modernen sizilianischen/italienischen organisierten Verbrechens. Man schätzt die Zahl der Mitglieder derzeit auf 5.000 bis 8.000, den Wert ihrer kriminellen Aktivität auf jährlich 100 Milliarden $.

Die Mafia hat Verbindungen zur Oberschicht, wie die erste Erwähnung unseres heutigen Wortes im Englischen zeigt. So heißt es in der Ausgabe der The Times vom 11. Oktober 1866: „Es wird behauptet, dass zum Geheimbund der Mafia viele Personen der Oberklasse gehören.“ Weil das Wort auch zur Bezeichnung aller Arten von organisiertem Verbrechen verwendet wird, dauerte es nicht lange, bis es auch für andere Gruppe galt. So heißt es in einer Überschrift der Chicago Tribune von 1891: „Die chinesische Mafia in Kalifornien. Eine Organisation von Mördern, gegen die das Gesetz machtlos ist.“

In den letzten Jahrzehnten weitete sich der Gebrauch des Wortes mehr und mehr aus und bezeichnet heute praktisch jede aus dem Hintergrund agierende einflussreiche Gruppe. So stand in einem Artikel einer Ausgabe des New Yorker von 1970 folgendes zu lesen: „The composers’ Mafia, with its dedication to atonality and the production of new noises, holds no terrors for him.“