04.03.2015

Der fallende Ölpreis und seine Bedeutung für die Weltwirtschaft

Vom Rohstoffhändler bis zum Endverbraucher, der auf dem Weg zur Arbeit seinen Tank füllt, hat jeder den jüngsten dramatischen Preisverfall des Öls mitbekommen. Seit etwa 2010 bis Mitte 2014 kostete ein Barrel Rohöl der Sorte Brent durchschnittlich 110 $. Vor kurzem sackte der Durchschnittspreis unter 50 $ ab, ein Rückgang von etwa 55 % während der letzten 6-7 Monate. Da Öl- und Benzinpreis aneinander gekoppelt sind, fallen auch die Benzinpreise, was den Endverbraucher natürlich jubeln lässt. Aber was bedeutet das alles für die Wirtschaften der einzelnen Länder der Welt?

Für Länder, die von der Ölproduktion abhängen und seit langem auf die Gewinne der Energieindustrie angewiesen sind, kann diese starke Preisschwankung wirtschaftlich von Nachteil sein, insbesondere in Kombination mit einer unzureichenden Finanzplanung. Länder, bei denen beispielsweise die Ölgewinne Grundlage eines Ausgabeplans sind, z.B. Venezuela und Nigeria, sehen sich bereits jetzt vor möglichen Unruhen, da sie gezwungen sind, sich entweder für Ausgabenkürzungen oder für eine Kombination aus Steuererhöhungen und Subventionskürzungen zu entscheiden. Am anderen Ende des Spektrums stehen Länder wie Saudi Arabien (und, in geringerem Maß, Russland), das sich auf einen Abschwung wie diesen durch die Einrichtung eines Reservefonds – geschätzte 700 Mrd.$- vorbereitet hat, der es ihnen ermöglicht, das gegenwärtige Ölproduktionsniveau zumindest für ein paar Jahre aufrecht zu erhalten, ohne Nachteile für die einheimische Wirtschaft und die geplanten Ausgaben.

Im Normalfall wären niedrige Erdölpreise den Ölverbraucherländern höchst willkommen. Doch leider ist es die eigene schwache Wirtschaftslage vieler führender Länder der globalen Wirtschaft, die zu diesem Ölpreisverfall geführt hat. Sowohl die Chinesen als auch Verbraucher in der EU werden von den niedrigeren Kraftstoffpreisen profitieren, aber die zugrunde liegenden Probleme sind trotzdem vorhanden. Man erwartet, dass das chinesische Wirtschaftswachstum, das 2010 10,4 % und 2011 9,3 % betrug, 2015 unter 7 % sinken wird, ein deutlicher Rückgang. Die EU arbeitet derzeit an einem Programm zur geldpolitischen Lockerung, das monatlich 60 Mrd. $ zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft vorsieht. Die Vereinigten Staaten, bisher größter Ölimporteur der Welt, konnten ihre Abhängigkeit von Fremdenergie durch die einheimische Schieferölproduktion lockern und dadurch ihre Wirtschaft gegen Ölkrisen abschotten. Doch obwohl sich Amerika anscheinend von der letzten Rezession erholt hat, zeigt sich bei einer Reihe von Schlüsselfaktoren, wie beispielsweise der Erwerbsquote, dass es noch ein weiter Weg bis zum tatsächlichen Wachstum ist.

Berücksichtigt man all diese Aspekte, dann hängt es tatsächlich von der Perspektive ab, welche Bedeutung billiges Öl für eine Wirtschaft hat – für den privaten Verbraucher kann es sich positiv auswirken, denn es könnte bei der Kostensenkung helfen, aber für das Land als solches kann es schlecht sein, denn Öl ist ein Produkt, das für geringere Ausgaben und eine schwache Wirtschaft steht. Laut IWF führt ein Ölpreisrückgang von 10 $ theoretisch zu einem Weltwirtschaftswachstum von 0,2 % (demnach müsste die Weltwirtschaft 2015 um etwa 1 % wachsen). Doch erst kürzlich hat der IWF das Weltwirtschaftswachstum um 0,3 bis 3,5 % in 2015 nach unten korrigiert. Es sieht leider so aus, als würde der Anreiz des billigen Öls von der schwachen Wirtschaft überholt, und sobald sich die Hauptantriebskräfte der Weltwirtschaft erholen, wird auch der Ölpreis nachziehen.