08.08.2017

Recycling vs Upcycling

Recycling vs Upcycling – Wort des Tages - EVS Translations
Recycling vs Upcycling – Wort des Tages – EVS Translations

Den Unterschied zwischen recycling und upcycling kann man am Beispiel eines alten Buchs erläutern. Wir brauchen es nicht mehr, wollen es aber nicht einfach wegwerfen. Welche Möglichkeiten haben wir dann? Wir könnten es zum einen zum Recycling, also zum Altpapier, geben. Dann würde es mit anderem Altpapier, mit Wasser und ein paar Chemikalien vermischt, zerkleinert, erwärmt und sortiert, bis alle anderen Materialien, beispielsweise Klebstoff oder Kunststoff, entfernt sind. Das endgültige Zelluloseprodukt wird von der Druckerfarbe befreit und gebleicht, bis man schließlich das Recyclingpapier erhält. In langwierigen Verfahren, die Energie und Ressourcen erfordern, wird aus dem hochwertigen Papier unseres Buchs durch Downcycling Papier von geringerer Qualität. Einerseits haben etwas Gutes gemacht, wir haben Abfall minimiert und natürliche Ressourcen (frisches Holz) eingespart, aber andererseits haben wir durch die Produktion des Recyclingpapiers auch wieder Abfall produziert, Energie verbraucht und Treibhausgas erzeugt, um am Ende ein Produkt zu erhalten, dessen Qualität im Vergleich zu seiner ursprünglichen geringer ist.

Und die zweite Möglichkeit? Wir könnten kreativ werden und aus unserem alten Buch ein Regal oder ein Schmuckkästchen machen, und indem wir das nicht mehr gebrauchte Buch zu einem neuen Gegenstand umwandeln, könnten wir ihm einen neuen Wert und eine neue Verwendungsmöglichkeit geben. Im Gegensatz zum Recycling muss beim Upcycling ein Produkt nicht zerstört werden, um es zu einem wieder verwendungsfähigen Rohmaterial zu machen, sondern ein altes Produkt erhält einfach eine neue Verwendung und hat damit einen höheren Endwert für die Umwelt und den Verbraucher.

Eigentlich gab es Recycling und Upcycling schon immer. Aber die Geschichte ihrer Umsetzung im industriellen Maßstab ist es wert, einmal einen Blick darauf zu werfen. Das älteste bekannte Recycling-Center in den Vereinigten Staaten, in dem Papier aus recycelten Baumwoll- und Leinenlumpen hergestellt wird, die Rittenhouse Mill in Philadelphia, gibt es bereits seit 1690. Nach dem Motto Don’t Waste Waste – Save It wollte die Regierung Abfall rückgewinnen, um der massiven Rohstoffknappheit im Ersten Weltkrieg zu begegnen. Heute gibt es den weltweiten Aufruf zu umweltverträglicherem Handeln und Upcycling ist nicht mehr nur eine Kunst- und Designbewegung, sondern ein echter Industriezweig geworden.

Die erste dokumentierte Aussage zur industriellen Bedeutung des Upcycling und des Unterschieds zwischen Recycling und Upcycling stammt aus dem Jahr 1994, aus einem Interview von Reiner Pilz, von der Pilz GmbH, in dem die Umsetzung der EU-Richtlinie zu den Abbruchabfallströmen diskutiert wird: „Ich bezeichne das Recycling als Downcycling. Sie zerschlagen Steine, sie zerschlagen alles. Was wir brauchen, ist ein Upcycling, bei dem alte Produkte einen höheren, keinen geringeren Wert erhalten.“

Das industrielle Konzept des Upcycling gelangte 2002 ins kollektive Bewusstsein. Der deutsche Chemiker Michael Braungart und der U.S.-Architekt William McDonough veröffentlichten damals ihr Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things, in dem sie ihr Prinzip „Cradle to Cradle“ (von der Wiege bis zur Wiege) vorstellten. Danach sollten Produkte und Industrien bereits im Entwurf so konzipiert werden, dass sie keine schädlichen Umweltauswirkungen haben, Downcycling und Recycling sollten nur dann angewendet werden, wenn der Verbrauch an Rohstoffen und Energie, die Auswirkungen auf die Umwelt und die Entstehung von Treibhausgasen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Stattdessen sollte bei der Produktherstellung bereits das spätere Upcycling berücksichtigt werden.

2013 gingen die Autoren noch ein paar Schritte weiter. In ihrem The Upcycle: Beyond Sustainability — Designing for Abundance traten sie noch stärker für eine vollständige Beseitigung des Abfallkonzepts ein, indem sie ein besseres Design und den Einsatz bestimmter Technologien forderten. Die Industrie sollte den Schwerpunkt nicht mehr auf Recycling, sondern auf die Erzeugung von Produkten legen, die nach der ersten Verwendung durch Umgestaltung von künftigen Generationen wieder und wieder verwendet werden könnten.

Inneneinrichtungen und Mode zählen heute zu den wichtigsten Bereichen, die den Upcycling-Gedanken aufgenommen haben, dabei aber den Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanken eher am Rande im Sinn haben, denn sie wollen in erster Linie die Bedürfnisse und den Markt der urbanen Hipstergeneration bedienen. Und während wir die kollektive Zukunft der Upcyclingindustrie weiter beobachten, warum nicht im Kleinen anfangen – geben wir doch dem alten Buch eine neue Verwendungsmöglichkeit, und nicht nur das, bauen wir ein neues Möbelstück aus alten Paletten, machen wir aus einer alten Holzleiter ein Bücherregel, nehmen wir Weckgläser anstelle von Glasschüsseln, machen wir aus einer alten Jeans eine trendige Tasche oder ein Kissen, und upcyceln wir munter weiter.