Wenn das Internet uns eines gelehrt hat, dann ist es die Tatsache, dass wir vorsichtig mit unseren Informationen umgehen und auf die Vertraulichkeit unserer Daten achten müssen. Für unseren Alltag bedeutet das beispielsweise, dass wir genauer aufpassen müssen, was wir in sozialen Netzwerken posten oder unsere Passwörter und die Bewegungen auf unseren Bankkonten genau im Auge behalten müssen.
In einigen Bereichen, insbesondere im Geschäftsleben, haben Informationssicherheit und Datenschutz im Rahmen des heutigen Wortes eine vollkommen neue Dimension erreicht: Anonymität. In der Welt der Fusionen und Übernahmen, in der Deals allein aufgrund der Tatsache, wer daran beteiligt ist, platzen, an die Öffentlichkeit geraten oder genau unter die Lupe genommen werden können, sind Informationssicherheit und Datenschutz unter Zuhilfenahme von Mitteln wie Briefkastengesellschaften häufig die Schmiere, die den Deal reibungslos ablaufen lässt.
Das Wort Briefkastengesellschaft (oder auch Basisgesellschaft) dürfte den meisten Menschen ein Begriff sein; das dahinter stehende Konzept ist für viele jedoch vermutlich etwas nebulöser. Eine Briefkastengesellschaft ist eine wirtschaftliche Einheit, die einem anderen Unternehmen eine Vielzahl verschiedener Optionen bietet, aber weder über einen eigenen Geschäftsbetrieb noch eigene Vermögenswerte verfügt. Der Name besagt bereits, dass die Firmen aus wenig mehr bestehen als einer Sitzadresse. Sie dienen ausschließlich der Verwaltung des darin befindlichen Geldes auf eine Weise, die sich perfekt eignet, um Vermögen zu halten, ohne einen Hinweis darauf zu hinterlassen, wessen Geld es tatsächlich ist.
Genau gesagt handelt es sich bei diesen Gesellschaften, die als eigenständige juristische Person fungieren, um eine Art Mantel oder Schleier, der die Handlungen einer anderen Organisation verdeckt. Wenn es Ihnen schwer fällt, das Konzept zu erfassen: Denken Sie an das VPN (Virtual Private Network), das Sie nutzen, um sich mit dem Internet zu verbinden, oder an ein Mietpostfach. Beide dienen dazu, Ihren tatsächlichen Standort zu verbergen, damit Sie daraus gewisse Vorteile ziehen können – zum Beispiel andere Inhalte auf Netflix zu schauen oder zu verhindern, dass Handelsvertreter vor Ihrer Tür stehen. Dies ist ein Beispiel für den Nutzen, den eine Briefkastengesellschaft haben kann.
Eine kurze, oberflächliche Internetrecherche offenbart bereits unzählige Sensationsstorys, die sich um spektakuläre Betrugsfälle, schwarze Kassen und Steuerbetrugsfälle drehen, in deren Mittelpunkt Briefkastengesellschaften stehen. Wie das beim Sensationsjournalismus meistens der Fall ist, handelt es sich dabei aber nicht um den Regelfall.
In Wahrheit treten Briefkastengesellschaften viel häufiger in der Geschäftswelt auf und dienen weitaus umfangreicheren Zwecken, als es vielen Menschen klar ist. Da beispielsweise kein Unternehmen mehr Steuern zahlen möchte als unbedingt notwendig, nutzen viele Großunternehmen auf legale Weise Briefkastengesellschaften, um von den Vorteilen niedrigerer Steuersätze im Ausland zu profitieren.
Da zusätzlich einige Länder wie China und (ehemals und in großem Umfang) Indien im ausländischen Besitz befindlichen Formen verbieten, Geschäfte auf ihren Binnenmärkten zu machen, stellen Briefkastengesellschaften (über ein Joint Venture mit einem lokalen Unternehmen) eine Möglichkeit für ausländische Unternehmen dar, in den Markt einzutreten und Geschäfte zu machen.
Speziell im Bereich der Fusionen und Übernahmen können Briefkastengesellschaften zu Datenschutzzwecken hilfreich sein. Ein Beispiel: Ein kleines Software-Unternehmen entwickelt ein nützliches Programm. Amazon möchte das Unternehmen kaufen. Entscheidet der Unternehmensgigant sich, diesen Kauf über ein kleines, unbekanntes, rätselhaftes Unternehmen abzuwickeln, erregt er viel weniger Medienaufmerksamkeit und erntet weitaus weniger prüfende Blicke als bei einem direkten Kauf – und kann mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch einen besseren Kaufpreis erzielen.
