30.06.2020

Maschinelles Dolmetschen

Maschinelles Dolmetschen – Wort des Tages – EVS Translations
Maschinelles Dolmetschen – Wort des Tages – EVS Translations

Ganz gleich, ob Sie diese Entwicklung interessant oder erschreckend (oder möglicherweise beides) finden: Einige moderne technologische Innovationen basieren auf jahrzehntealter Science-Fiction. In jedem Fall aber ist das „Faszinierend“, um die berühmte Science-Fiction-Figur Spock zu zitieren. In Fernsehserien aus dieser Zeit hielt man es für zu langwierig und mühsam, zu erklären, wie es möglich ist, dass sich Menschen und Aliens auf Englisch verständigen können. Insbesondere bei Star Trek Ende der 1960er-Jahre kam deshalb der sogenannte Universalübersetzer bzw. Universaltranslator zum Einsatz. Mit diesem besonderen Gerät konnte der Sprechende direkt in seiner eigenen Stimme verdolmetscht werden. Gut fünfzig Jahre später bezeichnen wir diese aufstrebende Technologie als „maschinelles Dolmetschen“ bzw. als „Speech-to-Speech-Translation“. Schon sehr bald wird diese Technologie die Art und Weise verändern, wie wir uns verständigen.

Der Fachbegriff maschinelles Dolmetschen besteht aus zwei einzelnen Begriffen. Das Wort Maschine ist ein Lehnwort aus dem Französischen (machine) bzw. dem Lateinischen (machina) und dem altgriechischen Wort μηχανή (zu Deutsch Werkzeug, Hilfsmittel oder Maschine) und beschreibt ein Gebilde, das als technisches Arbeitsmittel eingesetzt wird. Im Zusammenhang mit der Übersetzung von Fremdsprachen taucht der Begriff erstmals 1952 in einer Präsentation mit dem Titel Machine Translation of Russian Technical Literature auf, die James W. Perry im Rahmen der Conference on Mechanical Translation am Massachusetts Institute of Technology hielt. Das Wort Dolmetschen stammt aus der kleinasiatischen Sprache der Mitanni (ursprünglich talami). Daraus entwickelte sich das türkische dilmaç, das einen Mittelsmann zwischen zwei Parteien beschreibt, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Über die osmanischen Heerzüge fand der Begriff Eingang in die ungarische Sprache (tolmács) und wurde von dort wiederum ins Mittelhochdeutsche übernommen, wo es seit dem 13. Jahrhundert als dolmetsche Verwendung fand. Das Grimmsche Wörterbuch geht von einer Übernahme aus den slawischen Sprachen aus. Die spezifische Bedeutung des rein mündlichen Übertragens bekam das Wort Dolmetscher/-in erst später. Noch Luther versteht darunter in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530) die schriftliche Übersetzung.

Wenn wir – sofern das überhaupt möglich ist – einzelne Komponenten wie Deep Learning, maschinelles Lernen, Varietäten und Spracherkennung sowie die unglaubliche Rechenleistung einmal außer Acht lassen, werden beim maschinellen Dolmetschen im Wesentlichen zwei bereits bestehende Technologien miteinander kombiniert: Spracherkennung und maschinelle Übersetzung.

In einfachen Worten: Mithilfe einer Stimmerkennungssoftware wird Gesprochenes in Text konvertiert. Dieser Text wird von einem maschinellen Übersetzungsprogramm verarbeitet und in eine andere Sprache übersetzt. Im letzten Schritt wird dieser übersetzte Text wieder in gesprochene Sprache konvertiert.

Diese theoretische Erklärung mag einfach klingen. Die Praxis sieht jedoch völlig anders aus. Wer schon einmal Fragen an Alexa oder Siri mehrfach wiederholen musste oder fassungslos war, wie Spracherkennungssoftware quasi „stille Post“ mit dem diktierten Text spielen kann, weiß, dass Stimmerkennung noch lange nicht perfekt funktioniert. Und auch die maschinelle Übersetzung ist noch nicht perfekt: Mithilfe einer maschinellen Übersetzung können Sie zwar die Grundgedanken eines Textes verstehen, doch es hakt im Detail: Aspekte wie Stil, Stimme und rhetorische Mittel werden nicht wiedergegeben.

Der Fortschritt von populärer Science-Fiction hin zu nahezu einsatzfähiger Technologie innerhalb von gut 50 Jahren ist gar nicht so schlecht. Maschinelles Dolmetschen mag noch nicht perfekt funktionieren, doch es besteht kein Anlass zur Sorge: Laut Star Trek wird der Universaltranslator erst in knapp 130 Jahren erfunden. Wir liegen also mehr als gut in der Zeit.