03.09.2015

Delikatessen

Nicht jeder weiß, dass das Wort delicatessen in Europa und den Vereinigten Staaten leicht unterschiedliche Bedeutungen hat.

In den USA ist ein Delikatessen- oder Feinkostladen, oder einfach deli, eine Synthese aus einem Lebensmittelgeschäft und einem Schnellimbiss, der Frischkost anbietet. In einem deli findet man eine Auswahl an Salaten, Brotaufstrichen und Fertiggerichten, die man nach Gewicht oder auf einem Sandwich kaufen und vor Ort verzehren oder mitnehmen kann.

In Europa haben sich Feinkostgeschäfte in der Regel auf besondere Lebensmittel in hoher Qualität spezialisiert und man findet sie häufig in Luxus-Warenhäusern (beispielsweise Harrods).

Diejenigen, die sich mit der deutschen Sprache auskennen, würden sagen, dass das Wort delicatessen direkt aus dem Deutschen entlehnt ist, denn es sieht so aus, als sei es eine Zusammensetzung aus „delikat“ und „essen“ – aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Ja, es ist richtig, dass das Wort über das Deutsche in die englische Sprache gelangte, aber damit ist noch nicht alles erzählt. Der Begriff stammt ursprünglich vom lateinischen Adjektiv delicatus, was so viel heißt wie „köstlich, genüsslich, befriedigend“, machte dann einen Sprung in die französische Sprache des 16. Jahrhunderts, mit derselben Bedeutung und in der Schreibweise délicatesse, und dann erst gelangte er von dort nach Deutschland, wo er durch Anhängen eines -n (eine Standardendung für die Pluralform von Substantiven) zu dem Wort wurde, das sich so deutsch anhört.

Aber abgesehen vom Ursprung des Wortes und ob es sich um ein amerikanisches deli oder einen Luxus-Gourmetladen handelt, eines ist klar: wir sprechen in jedem Fall von köstlichem Essen. Die umgangssprachliche Bedeutung des Wortes bezieht sich häufig auf Orte, an denen man abgepackte und frische Lebensmittel aus anderen Ländern kaufen kann, also solche, die man in den betreffenden Ländern eher selten findet, und die für unseren Gaumen ein exotisches Fest sind.

Und genau mit dieser Bedeutung erschien das Wort erstmalig in der englischen Schriftsprache, nämlich als 1877 der schottische Journalist und Londoner Kritiker Enaeas Sweetland Dallas Kettner’s Book Of The Table schrieb. Auguste Kettner war ehemaliger Koch von Napoleon III und betrieb das angesagteste viktorianische Restaurant in Soho, London – bekannt für seine Extravaganz, Champagner und kulinarischen Leckerbissen. Man sagt, Dallas habe das Kochbuch als Gegenleistung für Gratis-Mahlzeiten geschrieben, so dass er wusste, wovon er sprach, denn er hatte Gelegenheit, alle von ihm beschriebenen Rezepte zu probieren.

7 Jahre später erschien das Wort delicatessen zum ersten Mal in den US-Medien. Die New York Times berichtete über ein Feuer in einem Delikatessengeschäft an der Tenth Avenue, und paradoxerweise hieß dessen Besitzer ebenfalls Auguste.

Außer der Beschreibung des Ortes, an dem delikates Essen angeboten wird, kann der Begriff delicatessen aber auch als Substantiv für das Essen selbst oder als Adjektiv zur Beschreibung der hohen Qualität und des sehr guten Geschmacks einer Speise gebraucht werden. 1904 schreibt Alan Dale in Wanted: a cook: domestic dialogues über eine Gastgeberin: „Anna verwöhnte uns mit einer Mahlzeit, die sie als delicatessen dinner bezeichnete“.