26.02.2020

Können globale Marken wie Netflix für mehr digitale Sprachendiversität sorgen?

„Ein großer Teil des kulturellen, spirituellen und intellektuellen Lebens eines Volkes wird durch die Sprache erlebt … Geht eine Sprache verloren, muss all dies in einer neuen Sprache neu geschaffen werden … Oft gehen Traditionen dabei urplötzlich verloren und werden durch die kulturellen Eigenheiten der mächtigeren Gruppe ersetzt.“

– Linguistic Society of America: „What is an endangered language?“ 

Mannheim – BW / Deutschland 17.11.2019: Nahaufnahme einer Hand mit Apple TV-Fernbedienung und Fernseher mit verschwommenem Netflix-Logo
Mannheim – BW / Deutschland 17.11.2019: Nahaufnahme einer Hand mit Apple TV-Fernbedienung und Fernseher mit verschwommenem Netflix-Logo

Netflix war kürzlich das Thema eines Artikels im Harvard Business Review, in dem die globale Expansion des Medien- und Produktionsunternehmens als „beeindruckende Leistung“ bezeichnet und folgendermaßen zusammengefasst wurde:

Das globale Wachstum von Netflix stellt einen wesentlichen Bestandteil des Erfolgs des Unternehmens dar […] Die Globalisierungsstrategie von Netflix und viele der Hürden, die das Unternehmen überwinden musste, können als einzigartig bezeichnet werden […] Viele internationale Abonnenten beherrschen Englisch nicht perfekt und bevorzugen Angebote in ihrer Sprache […] Beispielsweise ergänzte Netflix 2016 seine Benutzeroberfläche sowie die Untertitel- und Synchronisationsangebote sechs Monate nach dem Markteintritt in Polen und der Türkei um die entsprechenden Sprachen.

Der Erfolg von Netflix ist nicht allein auf die Entscheidung des Unternehmens zurückzuführen, Inhalte in lokale Sprachen zu übersetzen. (Der Artikel beschreibt verschiedene Faktoren, die dem Unternehmen geholfen haben, seine Globalisierungsziele zu erreichen.) Dass der Schritt hin zu einem Angebot mit mehr lokalen Inhalten für das internationale Publikum von Netflix einen großen Teil dazu beigetragen hat, steht allerdings außer Frage.

Programmangebote in lokalen Sprachen sind ein interessanter Verbrauchertrend, der einem Bericht von KPMG aus dem Jahr 2019 zufolge auch im indischen Medien- und Unterhaltungssektor zu beobachten ist. Auf diesem Markt bieten OTT-Mediendienste als Reaktion auf die wachsende Nachfrage ihrer Nutzer nun weitaus mehr Inhalte in verschiedenen lokalen Sprachen an.

Dennoch haben die Vereinten Nationen den Internationalen Tag der Muttersprache, der jedes Jahr in aller Welt gefeiert wird, zum Anlass genommen, den Mangel an „Sprachendiversität“ zu beklagen:

„Weltweit haben 40 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Bildungsangeboten in einer Sprache, die sie sprechen oder verstehen […] Mindestens 43 Prozent der geschätzt 6.000 Sprachen weltweit sind gefährdet. Nur wenigen hundert Sprachen wurde ein fester Platz im Bildungssystem und im öffentlichen Bereich eingeräumt und im digitalen Raum werden weniger als hundert Sprachen verwendet […]Die Initiative [zum Internationalen Tag der Muttersprache] hat nicht nur mehr Bewusstsein für Sprachthemen geschaffen, sondern auch Partner und Ressourcen mobilisiert, mit denen die Umsetzung der Strategien und Konzepte zugunsten der sprachlichen Vielfalt und Multilingualität in allen Teilen der Welt vorangetrieben werden kann.“

Auch für das Weltwirtschaftsforum war die Repräsentation von Sprachen im digitalen Raum 2018 ein Thema („Das Internet hat ein Sprachendiversitätsproblem“), auch wenn der Fokus hier nicht auf gefährdeten Sprachen lag. Hier die Übersetzung des relevanten englischen Texts auf der Website des Forums: „Die Abwesenheit einer so großen Zahl an Sprachen sorgt für eine sogenannte digitale Kluft, die den Zugang zu Daten und Informationen verhindern kann. Auf der einen Seite eröffnet das Internet allen die Möglichkeit, Inhalte in jeder Sprache zu erstellen, auf der anderen Seite aber sind viele Sprachen im Web gar nicht vorhanden.“

Gibt es Hoffnung für eine Lösung dieses Problems?

Ende letzten Jahres gab Airbnb bekannt, die Anzahl der Sprachen, in denen seine Plattform verfügbar ist, zu verdoppeln – von 31 auf 62. Zu den neuen Sprachen gehören unter anderem Georgisch und Xhosa. 2013 verkündete Shutterstock die Übersetzung seiner Website in vier neue Sprachen: Dänisch, Finnisch, Norwegisch und Schwedisch. Insgesamt waren es damit 18 Sprachen. Ist es also angesichts der Erfolge von Netflix, die uns zu Ohren kommen, zu früh, zu behaupten, dass globale Marken (wenngleich profitgetrieben) durch mehrsprachige Unterhaltungsangebote und Online-Marktplätze eine Verschiebung hin zu größerer Sprachendiversität im digitalen Raum bewirken? Verbraucher geben großen Marken Folgendes zu verstehen: „Ich würde gerne eure Inhalte sehen und eure Dienstleistungen nutzen – aber am liebsten in meiner eigenen Sprache. Jetzt macht mal!“

Bei gefährdeten Sprachen sieht die Sache noch mal anders aus.

Der fehlende Zugang zum Internet ist eines der Hauptprobleme für gefährdete Sprachen, es besteht also ein Infrastruktur- und Ausstattungsproblem. Auch der geringe Stellenwert, der lokalen Sprachen im Bildungssystem eingeräumt wird, ist problematisch. Hinzu kommt, dass die Zahl der Sprecher dieser Sprachen oft so klein ist, dass in diesem Bereich kaum kommerzielle Chancen bestehen (es sich also beispielsweise für Netflix finanziell nicht lohnt, ein lokales Sprachangebot für ein kleines Publikum zu schaffen). Für die Vereinten Nationen und ihre Initiative zum Internationalen Tag der Muttersprache gibt es noch viel zu tun, damit Sprecher aller Sprachen Zugang zu Informationen und Bildung in ihrer Muttersprache haben und die Vorteile, die das World Wide Web bietet, in vollem Umfang nutzen können.

Für viele Kunden der Übersetzungs- und Lokalisierungsbranche wäre das Leben ohne Sprachbarrieren, also mit einer gemeinsamen Sprache, sicher leichter. Doch Vielfalt in all ihren Facetten war nie wichtiger als heute und spielt mit Blick auf unser aller Zukunft eine entscheidende Rolle. Und das bedeutet schließlich auch sprachliche Vielfalt, oder nicht?

In einer Welt, in der Englisch häufig als die allgemein akzeptierte Norm im Unterhaltungs-, Geschäfts- und Kommunikationsbereich betrachtet wird, feiern wir daher am Internationalen Tag der Muttersprache der Vereinten Nationen die sprachliche und kulturelle Vielfalt sowie die Mehrsprachigkeit.

Ihr Unternehmen möchte seine Inhalte in mehreren Sprachen bereitstellen und benötigt dabei Unterstützung? Dann kontaktieren Sie unser Team noch heute. Wir nennen Ihnen mögliche Zeitfenster und Ansätze und unsere internen Übersetzer stehen bereit, um direkt mit der Arbeit an Ihrem Projekt zu beginnen.

Hinweis: Netflix ist kein Kunde von EVS Translations und steht in keiner Verbindung zu uns.

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