07.07.2020

Social-Media-Anwalt

Social-Media-Anwalt – Wort des Tages – EVS Translations
Social-Media-Anwalt – Wort des Tages – EVS Translations

Beim Thema Social Media gilt: Nur wenige nutzen alle, doch jeder nutzt ein paar. Kaum ein Mensch oder Unternehmen nutzt alle sozialen Medien. Doch fast jeder Mensch, jedes Unternehmen und jede Organisation hat irgendeine Form von Social-Media-Präsenz. Ganz gleich, ob es dabei um Werbung, Neuigkeiten, Marktforschung oder sogar Beschwerden geht: Social Media hat sich zur schnellsten, grundlegendsten und direktesten Interaktionsform zwischen Menschen und Unternehmen entwickelt. Im Zuge dessen werden Konzepte wie Marketing und Kundenservice für den Einsatz in den sozialen Medien ständig neu gedacht. Ein Aspekt des „Neudenkens“ wird allerdings selten behandelt: der rechtliche. Eine Woche nach dem World Social Media Day ist vermutlich genau der richtige Zeitpunkt gekommen, um uns mit dem Thema Social-Media-Anwälte zu befassen.

Schauen wir uns zunächst die Etymologie des Begriffs selbst an. Der Begriff des zugrunde liegenden Berufsstands, Anwalt, stammt vom althochdeutschen Substantiv anawalto ab, das nur im Plural vorkommt und „Schutzgeister“ oder „göttliche Kräfte beschreibt. Im Mittelhochdeutschen bezeichnet der daraus abgeleitete Begriff anwalte einen „Anstifter“ – gemeint ist damit jemand, der über etwas Macht oder Gewalt hat, den aus eigener Kraft Waltenden. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert wandelte sich die Bedeutung nach und nach hin zu einem Beauftragten, der Gewalt von einem anderen hat, also einen Bevollmächtigten, Abgeordneten oder Stellvertreter. Im 15. Jahrhundert schließlich nimmt der Begriff seine heute geläufige Bedeutung eines Rechtsbeistands für eine Partei an und verdrängt damit ältere Begriffe wie „Advokat“ oder „Konsulent“. So spricht beispielsweise Wilhelm Dilich in seinem Kriegsbuch (1607) über die Geltung von Eid- und Pflichtschwüren und den damit verbundenen Verpflichtungen (insbesondere auch in Kriegsrechtssachen): „Dieses [das so genannte caeremoniale] betrifft die partheyen und deren angewante oder anwälde/ procuratorem und zeugen/ jenes [das dem gegenüberstehende causale] aber den Richter oder Schultheissen und seine gerichtsleut.“ Der zweite Wortbestandteil Social Media, der den beruflichen Schwerpunkt beschreibt, ist eine Kombination zweier englischer Begriffe, die ihrerseits aus dem Lateinischen abgeleitet sind: socialis (vereint, in Gemeinschaft oder mit anderen lebend) und die Pluralform media (von medium), der „etwas, durch das etwas ausgedrückt wird“ beschreibt – etwa Musik, Text, Bilder usw. Als zusammengefasster Begriff wurde Social Media im Sinne eines Computernetzwerks, in dem Menschen miteinander interagieren und Inhalte austauschen, erstmals im Januar 1994 in einem Artikel des amerikanischen Magazins Online verwendet: „Was lockte Bibliothekare ins Internet? Für einige Cybernauten sind Usenet, IRC und sonstige Social Media das, was sie ins Netz gehen ließ.“

Schaut man sich den heutigen Begriff „Social-Media-Anwalt“ ohne Kontext an, kann einem das seltsame Bild eines Anwalts in den Sinn kommen, der vor seinem Computer sitzt und Hunderte von Facebook- oder Twitter-Beiträgen durchforstet. Doch zur Tätigkeit eines Social-Media-Anwalts gehört noch viel mehr. Wie beim Social-Media-Marketing die allgemeinen Prinzipien des Marketings auf den Bereich der sozialen Medien zugeschnitten werden, befasst sich das Social-Media-Recht mit spezifischen Rechtsbereichen, etwa Urheberrecht und Markenrechtsverletzung, Datenschutz im digitalen Raum, Marketing-Richtlinien (z. B. Schleichwerbung und falsche Bewertungen) sowie Verleumdung und Werberichtlinien im Zusammenhang mit sozialen Medien.

Ein Bereich, in dem Social-Media-Anwälte in naher Zukunft eine große Rolle spielen werden, ist das boomende Feld des Influencer Marketings. Obwohl Influencer Marketing für die Unternehmen, die es betreiben, große Vorteile bringen kann, hat es seine Tücken. Jüngst etwa bezahlte die US-Kaufhauskette Lord & Taylor – damals eine Tochtergesellschaft des kanadischen Unternehmens Hudson Bay – 50 Social-Media-Influencer dafür, auf Instagram Beiträge über ein Kleid zu veröffentlichen, ohne kenntlich zu machen, dass die Posts gesponsert waren. Infolgedessen erwägt die US-Handelsbehörde FTC derzeit, ihre Produktpräsentationsrichtlinien für die Werbung zu überarbeiten. Diese Überarbeitung wird möglicherweise zu einer strengeren Gesetzeslage und höheren Strafen führen. Da Influencer Marketing bis 2022 ein Marktvolumen von 13 Milliarden Euro erreichen soll, bedeutet das für im Social-Media-Bereich sehr aktive Unternehmen, dass sie mehr Rechtsaufsicht und -beratung benötigen werden.

Anders ausgedrückt: Solange es Gesetze gibt, brauchen wir Anwälte, und je mehr die sozialen Medien heranreifen und gesetzlich reguliert werden, desto größer wird der Bedarf an Social-Media-Anwälten.