25.03.2020

Sportrecht: Werden Menschen je fair spielen und was ist „höhere Gewalt“?

Sportrecht: Werden Menschen je fair spielen und was ist „höhere Gewalt“?
Sportrecht: Werden Menschen je fair spielen und was ist „höhere Gewalt“?

Ursprünglich wurde dieser Blog-Beitrag schon vor ein paar Wochen verfasst, als unsere britische Teamkollegin Joanne Brompton sich auf die Teilnahme an der Sports Resolutions Annual Conference in London vorbereitete. Diese Veranstaltung wurde inzwischen abgesagt. Die Absage kam nicht unerwartet und ist nur eines von zahlreichen Beispielen für Veranstaltungen, Konferenzen und Tagungen, die aus dem Kalender gestrichen werden. Das Gleiche könnte auch für die Olympischen Spiele gelten. Der japanische Premierminister Shinzo Abe rüstet sich bereits für die Verkündung von augenscheinlich verheerenden Neuigkeiten. Doch ein solcher Schritt würde nicht ohne ernsthafte rechtliche Konsequenzen bleiben. Jo arbeitet genau wie andere Mitglieder unseres Teams bei EVS Translations im Bereich Sport und Sportrecht und behält die Situation genau im Auge. „Höhere Gewalt“ ist derzeit ein häufig verwendetes Schlagwort.

Werfen wir zunächst einen Blick in den ursprünglichen Beitrag. Damals hatte das Virus noch nicht wirklich in Europa Fuß gefasst. Die Chancen waren noch groß, dass die Olympischen Spiele ungestört vonstattengehen könnten, und das Thema waren nicht Rechtsstreitigkeiten, sondern vielmehr eine Debatte um faires Verhalten im Sport.

Werden Menschen je fair spielen?

Kürzlich wurde der Tokio-Marathon mit Ausnahme der Elitegruppe, die durch die relativ leeren Straßen lief, abgesagt. Den Sieg trug bei den Männern Birhanu Legese aus Äthiopien mit einer Zeit von 2:04:15 und bei den Frauen die israelische Athletin Lonah Korlima Chemtai Salpeter mit einem neuen Streckenrekord von 2:17:45 davon. Der aktuelle Marathonrekord der Männer wird von Eliud Kipchoge gehalten, der den Marathon von Wien im Oktober 2019 in 1:59:40 lief. Dies war das erste Mal, dass ein Marathon in weniger als zwei Stunden abgeschlossen wurde. Doch der Rekord war umstritten – und zwar wegen der Schuhe, die Kipchoge trug. Sportler, die die neuesten Sportmodelle von Nike tragen, haben gegenüber jenen, die das nicht tun, möglicherweise einen Vorteil. Müssen also alle Beteiligten ihr Schuhwerk aufrüsten oder sollten neue Designkriterien festgelegt werden?

Der Welt des Leistungssports mangelt es selten an Kontroversen und Debatten, die von der kritischen Betrachtung von Sportbekleidung bis hin zu Änderungen im Anti-Doping-Ansatz reichen (die AIU verschiebt ihren Fokus von der stichprobenartigen Überprüfung auf Elitesportler). Prestigeträchtige internationale Wettbewerbe bringen Athleten und Nationen zusammen, jedoch können sie auch unsere schlimmsten Seiten zum Vorschein bringen, wenn sich der Siegeswille in unethischem Verhalten offenbart. Da enormes Investitionskapital in Veranstaltungen, Training und Sponsorenverträge fließt, kann die Neuigkeit, dass Sportler oder Organisationen schummeln, einen verheerenden Schaden anrichten.

Werden Menschen je fair spielen? Die Definition von „Fairness“ (oder „Richtigkeit“) kann sehr komplex sein. Doch das ist Teil der Dynamik im Bereich des Sportrechts. Wie in vielen anderen Lebensbereichen auch sind die Menschen stets auf der Suche nach Vorteilen, die ihnen dabei helfen, Erfolg zu haben. Dies kann viele unterschiedliche Formen annehmen. Jeder Mensch hat eigene Definitionen von „fair“ oder „richtig“. Daher braucht es Anwaltskanzleien und Sportverbände, um klare Richtlinien festzulegen. All diese Themen standen auf der Agenda der Sports Resolutions Annual Conference. Nun allerdings rücken andere Themen in den Vordergrund des Sportrechts …

Übersetzung im Kontext des Sportsrechts

EVS Translations ist Partner mehrerer internationaler Sportorganisationen, Sportanwälte und Sportmarketing-Agenturen. Daher baten wir vor ein paar Wochen unsere Kollegin Jo Brompton aus unserem Team in Großbritannien, uns ein wenig von den Sportanwälten zu erzählen, mit denen sie zusammenarbeitet:

„Das Sportrecht ist wirklich ein faszinierendes Gebiet. Die größten Themen sind derzeit leistungssteigernde Sporttechnologie, Transgender-Rechte und Anti-Doping. Einige der Anwälte, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren an internationalen Rechtsstreitigkeiten beteiligt, bei denen rechtskräftige Beweise übersetzt werden mussten. Ich selbst habe an einem großen Rechtsstreit mitgearbeitet, bei dem eine internationale Organisation wegen Fahrlässigkeit verklagt wurde. In diesem Fall ging es darum, dass Sportlerinnen und Sportler sich in einem sicheren Umfeld miteinander messen können. Doch Sicherheit wird nicht immer in den Vordergrund gestellt. In derartige Details bin ich abgesehen von den Gesprächen mit meinen Kunden nicht eingeweiht. Anwälte müssen sich mit großen Informationsmengen in wenigstens zwei Sprachen auseinandersetzen. Das kann für sie bei ihren Bemühungen, die entscheidenden Einzelheiten herauszuarbeiten, recht frustrierend sein. Diese Einzelheiten werden vor Gericht genau unter die Lupe genommen. Jedes Detail muss also stimmen.“

Die Olympischen Spiele und die Auswirkungen „höherer Gewalt“

Innerhalb weniger Wochen haben sich die Themenschwerpunkte im Sportrecht verschoben. Da Premierminister Shinzo Abe sich offenbar auf die Bekanntgabe niederschmetternder Nachrichten vorbereitet, erinnerte uns Duncan Bagshaw (Partner bei Howard Kennedy LLP) kürzlich in einem Interview mit BBC Radio an das Thema „höhere Gewalt“ und die möglicherweise schwerwiegenden Folgen, für alle an der Vorbereitung und Ausrichtung von Veranstaltungen wie den Olympischen Spielen beteiligten Parteien. Auf der Website der Kanzlei wird es folgendermaßen beschrieben:

„Berichten zufolge beabsichtigen viele Unternehmen, sich auf Umstände höherer Gewalt zu beziehen. Höhere Gewalt beschreibt Ereignisse, die unvorhersehbar und unvermeidbar sind, nicht aus dem Verhalten einer der Parteien resultieren und es einer Partei unmöglich machen, einen Vertrag zu erfüllen. Die Klausel gestattet es dieser Partei, höhere Gewalt zu erklären und von der Ausübung ihrer vertraglichen Verpflichtungen entbunden zu werden.“

Die Kanzlei hebt allerdings hervor, dass es nicht klar ist, ob das Coronavirus in diesen Bereich fällt. Es sei „vom Wortlaut der Klausel“ sowie anderen Faktoren abhängig.

Jo kommentiert: „Wirtschaftliche Auswirkungen, Preisgelder, Aufstieg und Relegation, Sponsoring, Übertragungsrechte, Rentabilität von Vereinen oder Austragungsorten … Was stellt einen Umstand höherer Gewalt dar? Und wie starr sind die Formulierungen Ihres Vertrags? Man kann verstehen, warum Japan mit der Verschiebung der Olympischen Spiele so zögerlich ist. Uns steht definitiv eine sehr prozessreiche Zeit bevor.“

Und da Parteien aus verschiedenen Rechtsordnungen involviert sein werden, bereiten Jo und ihr Team sich bereits auf die bevorstehenden Übersetzungsaufträge vor.