14.04.2020

Infodemie

Infodemie – Wort des Tages – EVS Translations
Infodemie – Wort des Tages – EVS Translations

Der vielleicht größte Vorteil des Internets ist, dass es eine nahezu unendliche Menge an Informationen verfügbar macht. In der Regel beziehen wir die Informationen, die wir benötigen, von vertrauenswürdigen Quellen und schenken dem Rest keine allzu große Beachtung. Wenn sich Einzelpersonen sowie ein großer Teil der Aktivitäten im Internet auf ein einziges Thema fokussieren, wie wir es derzeit mit dem Coronavirus erleben, kann die gleiche nahezu unerschöpfliche Informationsquelle auch leicht gegen uns arbeiten: fast wie das Virus selbst. In weniger als zwei Monaten vollzog sich eine Entwicklung von vereinzelten Berichten isolierter, vertrauenswürdiger Quellen hin zu einer ausgewachsenen Epidemie von Informationen aus scheinbar jeder Ecke des Internets. Vor allem in Notlagen können Informationen zwar äußerst wertvoll sein. Zu viele Informationen aber können – wie wir derzeit beobachten – zu einer ebenso großen Gefahr wir das eigentliche Problem werden.

Das Kofferwort Infodemie, das sich aus Information (vom Lateinischen informare – „schulen, anleiten, ausbilden“) und Epidemie (vom Griechischen epidemia – „innerhalb eines Volkes/Bezirks (eines bestimmten Ortes, im Sinne einer Krankheit)“) zusammensetzt, bezeichnet die Ausbreitung überwältigender Informationsmengen, die geeignet sind, die Grenze zwischen vertrauenswürdigen und falschen oder irreführenden Informationen – sogenannten Fake News – zu verwischen. Es gibt zwar Spekulationen, wonach der Begriff seinen Ursprung in den Schriften von Lewis Carroll hat, doch die erste belegte Verwendung des Wortes – wie auch der Gebrauch, der ihm allgemeine Akzeptanz bescherte – erfolgte am 15. Februar 2020 in einer Rede des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Dieser erklärte: „Wir kämpfen nicht nur gegen eine Epidemie, sondern auch gegen eine Infodemie. Fake News verbreiten sich schneller und einfacher als dieses Virus, und sie sind genauso gefährlich.“

Mittlerweile haben die Fake News zum Wuhan-Virus viele Formen angenommen und reichen von einem „ärztlichen Rat“ oder „aktuellen Infos eines befreundeten Journalisten“ auf WhatsApp bis zu falschen Twitter-Accounts, die als Krankenhäuser auftreten, Facebook-Seiten mit Falschinformationen und sicherlich noch vielen weiteren Formen und Fällen. Allerdings wird auch viel für ihre Bekämpfung getan: Bekannte Technologieunternehmen, u. a. Google, Facebook, Twitter, Microsoft, LinkedIn und Reddit, haben in einer gemeinsamen Stellungnahme mitgeteilt, dass sie Betrug und Fehlinformationen über die Pandemie bekämpfen und auf ihren Plattformen offizielle Informationen fördern möchten. Das britische Department for International Development hat die neuartige Maßnahme ergriffen, mit Hilfe von Social-Media-Influencern korrekte Informationen an jüngere Social-Media-Nutzer zu verbreiten, da diese besonders anfällig für Fake News sind. Zudem haben viele Länder Gesetze verabschiedet (oder durchzusetzen begonnen), die die Verbreitung von Fake News mit hohen Geldbußen oder sogar Haftstrafen belegen.

Für viele Rechtsordnungen ist dies natürlich ein schwieriger Balanceakt zwischen der Wahrung der freien Meinungsäußerung und der offenen Kommunikation, dem Versuch, Falschinformationen zu unterbinden, und der Gewährleistung eines schnellen Zugangs zu notwendigen Informationen. An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage, was überhaupt als notwendige und wahrheitsgemäße Information zu betrachten ist, und ob der Instanz, die dies festlegt, vertraut werden kann.

Andererseits muss man vielleicht einfach nur eigene Recherchen anstellen, mehrere vertrauenswürdige Quellen ausfindig machen, diese befolgen / lesen / mit ihnen interagieren, um zu erkennen, dass – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt – ein Mehr an Informationen mitunter auch ein Zuviel an Informationen ist.